Die Revolution der Arbeitswelt

Industrie 4.0, Digitalisierung: Diese Schlagworte griff das Forum Mittelstand im Technologiezentrum Niederrhein in Kempen auf. Dass sie den Nerv der Unternehmer treffen, zeigte die Resonanz: Fast 100 Besucher ließen sich über Chancen und Risiken informieren.
„Wichtig ist, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen“, sagte Dr. Thomas Jablonski, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) Kreis Viersen, zur Begrüßung. Man
spreche nicht über Science Fiction, vieles sei schon Realität; man müsse aufpassen, den Anschluss nicht zu verpassen.
Was sich hinter den Schlagworten verbirgt, machte Prof. Wilhelm Mülder von der Hochschule Niederrhein in seinem Impulsvortrag deutlich. 4.0 bedeute etwa die vierte industrielle Revolution – nach Dampfmaschine, Fließband und Elektronik folge nun das Internet der Dinge: Maschinen werden untereinander vernetzt, sie können autonom agieren. Mülder stellte dies anschaulich dar. Etwa am Beispiel eines Autofahrers, der über eine Smart Watch mit der virtuellen Welt verbunden ist. Ist der Fahrer müde, erhält er frische Luft, eine Rückenmassage oder laute Musik. Ist er nicht mehr fahrtauglich, sagt das System „Stop“.
Ähnlich ist es in einer „smarten“ Fabrik: Der Lkw (ohne Fahrer) kommuniziert mit dem Lager, Roboter ersetzen Routinetätigkeiten. „45 Prozent aller Tätigkeiten sind automatisierbar“, sagt
Mülder. Bereits praktizierte Beispiele: In Japan hebt ein Pflegeroboter den Patienten aus dem Bett, in den USA fährt ein autonomer Traktor über den Acker. Weltweit läuft der Wettbewerb um die serienmäßige Einführung des Autos ohne Fahrer.
Maschinelles Lernen ist an der Tagesordnung, künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch. Virtuelle Realität wird über einen Minicomputer am Körper zum Alltag werden, sagt Mülder. Daten sind in dieser Entwicklung die neuen Ressourcen. „Erfährt der Versandhandel so mehr über den Kunden, kann er passgenauer liefern und die Zahl der Retouren reduzieren“.
Das Geschäft mit den Daten bringe neue Produkte, Serviceangebote und Dienstleistungen hervor. Dies hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Durch den Wegfall von Fahrern würden Kosten
eingespart, mobile Arbeit nimmt zu, das klassische Büro habe ausgedient, so Mülder. So gebe es in den Niederlanden bereits einen Rechtsanspruch auf Home Office. Der Chef eines chinesischen
Konzerns sagt voraus: „Die Firma der Zukunft hat keine Angestellten mehr.“
Der Wegfall der Arbeitsplätze wird als Risiko der Digitalisierung gesehen, auch wenn Mülder die im Raum stehende Zahl von 3,4 Millionen für überzogen hält. Schließlich würden neue
Arbeitsplätze entstehen. Risiken sind für Mülder Abhängigkeiten: Man kenne die Algorithmen und Formeln nicht, mit denen Google arbeite, Datenlecks gefährdeten die Sicherheit, ohne Zugang zum Internet ist die Produktion gefährdet.
Seine klare Botschaft an die Vertreter von kleinen und mittelständischen Unternehmen lautet dennoch: Chancen nutzen, nicht warten. Das haben Alexander Vennekel und Onno Jongkind bereits getan. Vennekel betreibt eine Werbeagentur in Kempen. Man habe die Prozesse automatisiert, die Kunden bestimmten das Aussehen des Produkts selbst, produziert werde online. Sein Leitmotiv: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Mit der Zeit gegangen ist auch Onno Jongkind mit seiner Ölmühle in Niederkrüchten. Er hat das alte Handwerk in die moderne Zeit überführt. Die gesamten Prozesse seien voll automatisiert, die Hallen meist menschenleer. Die Produktion laufe sieben Tage rund um die Uhr. „Die Wertschöpfung steckt in den Maschinen“, sagt Jongkind. Dabei habe man die Zahl der Mitarbeiter erhöht. Sie müssten nun aber keine Säcke mehr schleppen, sondern steuerten die Produktion. „So wird man auch attraktiv für Fachkräfte“, sagt Jongkind.
In der von Professor Thomas Merz (Hochschule IST) moderierten Diskussion wurden viele Teilnehmer bereits sehr konkret und fragten nach Umsetzungsmöglichkeiten. Klarer Tipp von Prof.
Mülder: Unternehmen sollten sich an Förderprogrammen wie Digi Pro beteiligen. Das Projekt unterstützt mit Mitteln aus EU, den Niederlanden und dem Land NRW Firmen, die sich auf dem
Weg zur Digitalisierung beraten oder schulen lassen. Tipps dazu gibt es bei der WFG.

 


zurück